Wie es in etwa nach der "Wende" mit der Entwicklung in Wünsdorf, speziell
der Waldstadt, der sog. "Verbotenen Stadt" weiterging, ist dem
nachfolgenden Artikel der "Lausitzer Rundschau" vom 07.12.2004 zu
entnehmen:
Im Ex-Russen-Hauptquartier kommt Sanierung nur zögerlich voran /
Von
9000 Neubürgern weit entfernt
VON
IMKE HENDRICH
Einst
war es eine verbotene Stadt, umgeben von einer Mauer. Dahinter, alles streng
geheim, denn auf dem abgelegenen Areal in Wünsdorf bei Berlin hatten die
russischen Streitkräfte zu DDR-Zeiten ihr Hauptquartier. Heutzutage, zehn Jahre
nach Abzug der letzten Soldaten, erinnern vor allem das verfallene Haus der
Offiziere, düstere Bunkeranlagen noch aus Zeiten des Nationalsozialismus und
jede Menge Kasernen an die jahrzehntelange Vergangenheit als Militärstadt.
Eigentlich
sollte auf dem rund 600 Hektar großen Gelände durch das wohl größte
Konversionsprojekt Deutschlands aus dem streng abgeschirmten Areal - keine 40
Kilometer vor den Toren Berlins - ein lebendiger Stadtteil entstehen.
Millionen
von Euro flossen auch, doch viele Blütenträume zerplatzten. "Mancherorts
sieht es trostlos aus", sagt Zossens Bürgermeisterin Michaela Schreiber
(parteilos).
Leerstand
bei 40 Prozent.
Kein Wunder, denn der Leerstand in den schmuck restaurierten Kasernen liegt laut Schreiber bei traurigen 40 Prozent. Weiter ab von der Bundesstraße 96, die heute wieder mitten durch den Ort führt, noch höher. Statt der noch 1995 in einem Kabinettsbeschluss für 2005 angestrebten 9000 Neubürger sind es heute gerade einmal 2700. "Der Fehler war, dass zu großflächig saniert wurde, ohne die nötige Infrastruktur zu entwickeln", erklärt Schreiber. Und die ehrenamtliche Ortsbürgermeisterin Sabine Brumm (parteilos) betont: "Es ist zwar einiges erreicht worden, aber man darf jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben."
Zwar
sind in mehreren an den Standort verlagerten Behörden rund 1000 Menschen beschäftigt
- doch kaum einer von ihnen will dort auch wohnen. Als Schuldige für das
Dilemma um Wünsdorf, wo zu DDR-Zeiten bis zu 40 000 Soldaten angesiedelt waren,
machen die Politiker vor Ort die in den 90er-Jahren gegründete
Entwicklungsgesellschaft Waldstadt Wünsdorf/Zehrensdorf (EWZ), aus.
Die
Vorwürfe weist EWZGeschäftsführerin Birgit Flügge zurück. "Wir
arbeiten stetig etwa an der Verbesserung der Infrastruktur, es kann aber nur in
kleinen Schritten voran gehen." Denn, so betont Flügge: "Als mit dem
Projekt Mitte der 90er-Jahre begonnen wurde, . war man von einem
Entwicklungsruck und massivem Zuzug aus Berlin ausgegangen, doch das stellte
sich als falsch heraus.
Schaut
man sich um in der Waldstadt Wünsdorf, fallen einem an der Straße zwar bunt
gestrichene Häuser mit Gardinen in den Fenstern ins Auge, aber nicht weit
entfernt verkommen einst stattliche Objekte wie das kleine Theater oder das
kleine und große Haus der Offiziere, das noch aus Kaisers Zeiten stammt.
Bücherstadt ist rückläufig
"Es ist sehr schwierig, dafür Investoren zu finden", meint Flügge. Dabei gibt es durchaus innovative Projekte auf dem Areal wie die laut Initiatoren bundesweit einzige Bücherstadt. Aber auch dort, wo Ende der 90er-Jahre 19 Antiquare beheimatet waren, sind es heute nur noch fünf.
Anmerkung des Verfassers:
Warum konnten Beamte der Bundesbehörden oder der -ministerien
nach ihrem Umzug von Bonn nach Berlin, sowie Beamte von Landes-
behörden nicht von der hervorragenden Wohnqualität in Wünsdorf-
Waldstadt überzeugt werden ?
Dabei sprechen einige Vorteile für den Standort, u.a.:
Anbindung nach Berlin über die B 96,
exzellente Bahnverbindung nach Berlin mit relativ kurzer Fahrzeit,
relativ geringe Mieten
Optimistischer zeigt sich da , die vor mir liegende Broschüre "ADAC
Reiseführer - Brandenburg: Potsdam - Havelland Spreewald", erschienen
im ADAC Verlag GmbH, München, 2004.
Unter der laufenden Nummer 61 (es ist auch die letzte) von aufgeführten
Ausflugszielen o.g. Region, ist über Wünsdorf unter dem Untertitel
"Vom abgeriegelten Militärstandort zur grünen Wohn- und Kulturstadt"
folgendes zu lesen:
Jahrzehnte war die B 96 nahe bei Berlin gesperrt. Es musste ein kilometerlanger
Umweg über Mellensee und Klausdorf genommen werden, weil die östliche
Siegermacht
des Zweiten Weltkriegs Wünsdorf bis 1994 besetzt hielt.
Die militärische Geschichte des Ortes begann 1906, als der Generalstab des
kaiserlich-deutschen Heeres im Raum Zossen-Wünsdorf einen Truppenübungsplatz
anlegen ließ. Vor allem in den Jahren 1934/35 entstanden zahlreiche Kasernen.
1939-45 befand sich in Wünsdorf das Oberkommando des deutschen Heeres.
dessen riesige Bunkeranlagen (Führungen Mo-Fr 14, Sal So 12 - 16, Nov. - März 13
und 15 Uhr) mittlerweile zu besichtigen sind. Am 21. April 1945 besetzten Einheiten
der Sowjetarmee das Militärgelände, denen auch die Nachrichtenzentrale Zeppelin mit
den modernsten technischen Einrichtungen der damaligen Zeit in die Hände fiel. Die
Sowjets machten Wünsdorf zur Kommandozentrale für ihre in Deutschland
stationierten Truppen. Sie erweiterten das Militärgelände erheblich, beschlagnahmten
zahlreiche Villen, erbauten einen neuen Kasernenkomplex sowie westlich der B 96 die
Wohnsiedlung Tschitschendorf. Die Militär-Turnanstalt mit einer damals sehr
modernen Schwimmhalle an der Straße nach Töpchin, in der sich deutsche Sportler
auf die Olympischen Spiele 1936 vorbereiteten, nutzten die Sowjets als Haus der
Offiziere. Es war das kulturelle Zentrum der Garnison, die zuletzt etwa 900 Bauten für
rund 30000 Armeeangehörige umfasste. Ein Garnisonsmuseum (Mo-Fr 13-17, Sa/So/Fei 11-17 Uhr, Nov.- März bis 17 Uhr,
(www.garnisonsmuseum-wuensdorf.de) informiert hier heute über die deutsche
Panzer-Militärgeschichte von 1910 -45 und zeigt die Ausstellung „Russischer
Soldatenalltag“.
Die auf dem Gelände entstandene Bücherstadt (siehe weiter unten) wird ständig
erweitert.
Der Bürgermeister der 1998 vereinigten Gemeinden Wünsdorf, Waldstadt und
Lindenbrück hat seinen Sitz im neuen Bürgerhaus, das aus dem ehem. Offiziersheim
und späteren russischen Warenhaus an der B 96 hervorgegangen ist. Ebenfalls an der
B 96 sind im Motorradmuseum (März - Okt. Sa/So 11-18, Nov.-Febr. So 12-17 Uhr)
in einem ehem. kaiserlichen Pferdestall heiße Öfen zu sehen. Ausgestellt sind mehr als
80 Motorräder, Mopeds und Motorroller aus der DDR. darunter die gesamte Reihe
MZ
aus den Motorwerken Zschopau.
Hier
eine kleine Erläuterung zum Begriff "Booktown - Bücherstadt" :
Booktown
Zahlreiche
Antiquariate befinden sich in Wünsdorf. Die Idee, eine Booktown, ein
Buchantiquariat von der Größe einer ganzen Ortschaft zu schaffen, hatte in den
60er-Jahren des 20. Jh. der Brite Richard Booth. 1m walisischen Hay-on-Wye
realisierte er seine Vorstellung, in bestehenden Gebäuden siedelten sich
viele Fachantiquariate an, Restaurants und Cafes gesellten sich dazu. Dieses
Konzept fand in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, den USA und
Japan viele Nachahmer, insgesamt existieren bisher 19 Bücherstädte weltweit.
Nun kann man sich auch in Wünsdorf südlich von Berlin im Angebot
moderner Antiquariate in einer Bücherstadt stöbern - in mehr als einem
Dutzend Antiquariaten (Do-Mo und Fei 10-18 Uhr) darf bereits geblättert werden,
etwa dreißig sollen es einmal werden. Außerdem wird man sich hier auch über
den aktuellen Büchermarkt kundig machen können.
Praktische
Hinweise
Information:
Bücherstadt-Tourismus, Gutenbergstr. 1, Tel. 03 3702/9600,
Fax
96020, www.buecherstadt.com
Zur Bücherstadt Wünsdorf bescheibt die Lausitzer Rundschau vom 27.06.06 , wie sich Fehleinschätzungen der Brandenburger
Politik ausgewirkt haben und sich Eigeniniative auszahlt:
Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf zieht Besucher an
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) informiert sich erstmals vor Ort über Konzept des einstigen Problemobjektes
WÜNSDORF. Es ist eines der Millionengräber der Stolpe-Ära. Kein Wunder, dass Matthias Platzeck diesen Ort seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten vor vier Jahren gemieden hat. Gestern besuchte er erstmals die Waldstadt Wünsdorf, wo bis 1994 das Oberkommando erst der sowjetischen, und dann der russischen Streitkräfte in Deutschland seinen Sitz hatte. Sein Vorgänger Manfred Stolpe wollte auf dem Kasernenareal einst 10 000 bis 12 000 Bundesbeamte ansiedeIn. Der Plan scheiterte kläglich, wie auch andere Konzepte, aus Wünsdorf eine Vorzeige-Stadt zu machen.
Bei "unverschuldetem" Erfolg lassen sich viele sehen ...
Etwa 256 Millionen Euro hat die Landesregierung in dieses größte Konversionsprojekt Deutschlands. gepumpt, ehe 2001, der Geldhahn im Sog der Pleite der Landesentwicklungesellschaft zugedreht wurde. Es habe „Höhen und Tiefen gegeben", umschrieb Platzeck das unschöne Kapitel.
Inzwischen geht es in Wünsdorf langsam aufwärts. Zwar leben statt der einst prognostizierten 10 000 gerade mal 2500 Menschen in den sanierten Kasernen, zwar arbeiten nur knapp 1 000 Landesbedienstete in umgesiedelten Behörden. Aber die Bücher- und Bunkerstadt zieht zunehmend mehr Besucher an, sagt der Geschäftsführer Trägergesellschaft Werner Borchert. Über 20 000 Gäste besuchen jährlich die 1937 bis 1939 von der Wehrmacht erbauten Bunker, tausende Buchliebhaber stöbern oft Stunden in den Antiquariaten. "Das Konzept alte Bücher und Bunker funktioniert", sagt Borchert. Was Platzeck wohl am meisten überraschte: Die 1998 gegründete und von der Landesentwicklungsgesellschaft subventionierte Bücherstadt finanziert sich inzwischen selbst. Er erwarte auch keine Zuschüsse, sagt Borchert und bittet Platzeck nur um "Flankenschutz" für zwei neue Projekte: Ein russisches Militär-Museum und ein "Lese-Hotel für junge Leute" sollen bis 2010 mit privaten Investitionen entstehen.
Auch der Landrat des Erfolgskreises Teltow-Fläming, Peer Giesecke (SPD), sieht die Bücher- und Bunkerstadt nicht mehr als "Sorgenkind", auch wenn, wie er betont, noch einiges zu tun bleibt. Es gibt noch unsanierte Gebäude, die verfallen. Und trotz einmaliger Waldlage stehen sanierte Wohnungen und Gewerberäume leer. Froh ist der Landrat, dass die Neo-Nazis die alten Wehrmachts-Bunker nicht als Wallfahrtsort auserkoren haben: Das liege wohl daran, dass hier viele Männer des 20. Juli Dienst taten, darunter auch Graf Stauffenberg. Eine kleine Ausstellung würdigt auch diese Seite der Geschichte Wünsdorfs.
Michael Mara
...und noch einmal:
Schwieriges
Monopoly um Militärstadt Wünsdorf
Landesregierung sucht
mutige Investoren mit Visionen
Brandenburg
sucht händeringend mutige Investoren "mit Visionen" für ausgefallene
Immobilien in der alten Militärstadt Wünsdorf: So ist unter anderem das schon
zu Kaisers Zeiten errichtete und zuletzt vom Oberkommando der russischen
Streitkräfte genutzte Badehaus aus dieser Zeit im Internet zum Verkauf
ausgeschrieben. Der Preis für diese "ganz besondere Perle der kaiserlichen
Architektur" mit Originalkacheln an Böden und Wänden wird nicht genannt.
Eine Nutzung als "luxuriöses Spa" biete sich geradezu an, heißt es
nur.
Mit der Badeanstalt
soll auch die einstige kaiserliche Militärturnanstalt veräußert werden, die
von den Russen als "Haus der Offiziere' genutzt wurde. Auf der Liste steht
auch die 1911 bis 1914 erbaute Villa, in der zuletzt der russische
Oberbefehlshaber Burlakow lebte. Für das Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute
kleine Theater mit 150 Plätzen sowie die 1937 errichtete einstige Heeresbäckerei
samt Speicher werden ebenfalls Erwerber mit Ideen gesucht.
Nur der Bau des
Landesbehördenzentrums ging weiter. Er ist jetzt, wie Speer mitteilte,
weitgehend abgeschlossen. 13 Behörden sind nach Wünsdorf umgezogen, 840
Landesbeamte arbeiten dort. Mindestens 1000 waren vorgesehen. Der Leerstand in
den für über 72 Millionen Euro zum Behördenzentrum umgebauten Kasernen beträgt
zehn Prozent. Auch wenn, was man derzeit prüft, noch Grundbucharchive dort
einziehen sollten, dürfte im Zuge des von der Landesregierung beschlossenen
drastischen Personalabbaus der Leerstand anwachsen. Speer will deshalb
Immobilien auf dem Gelände des Behördenzentrums verkaufen. Er kündigte eine
"aktive Vermarktung" an. Jüngste Erfolge bei Auktionen andernorts
bewiesen, "dass auch schwer verwertbare Objekte zu verkaufen sind'.
Dennoch macht der
Minister keinen Hehl daraus, dass der ehemalige Militärstandort "schwierig
ist und bleibt". Vor übertriebenen Hoffnungen warnt auch die,
Entwicklungsgesellschaft Wünsdorf - Zehrensdorf EWZ, die gegründet wurde, um
das 590 Hektar große einstige Militärgelände zu entwickeln, jetzt aber fast
nur noch mit der Vermarktung der nicht zum Behördenzentrum gehörenden
Immobilien befasst ist, darunter auch anfangs erwähnten denkmalgeschützten Gebäude
aus Kaisers- und Wehrmachtszeiten.
"Die
Schwierigkeit ist, dass die Grundstücke und Gebäude wahnsinnig groß
sind", sagt Geschäftsführerin Birgit Flügge. "Die infrage kommende
Käuferschicht ist deshalb von vornherein sehr klein." Auch die vielen
abrissreifen ehemaligen Kasernen erleichterten die Vermarktung nicht gerade.
Dennoch gebe es in jüngster Zeit Erfolge. So habe im April ein englischer
Investor 4,7 Hektar rund um die inzwischen etablierte Bücher- und Bunkerstadt,
die längst zu. einer Besucher-Attraktion geworden ist, gekauft. Man verhandle
derzeit auch mit einem Investor über die einstige kaiserliche Militärturn- und
Badeanstalt.
Insgesamt bietet die
Entwicklungsgesellschaft 300 Hektar Grundstücks und Waldflächen zum Verkauf
an. Flügge hofft, dass die Inbetriebnahme des neuen Großflughafens in Schönefeld
(Dahme - Spreewald) weiteren Auftrieb geben wird. Im Internet wird bereits damit
geworben, dass die Entfernung zum künftigen Airport BerlinBrandenburg
International (BBI) nur 30 Kilometer beträgt. Speer ist trotzdem skeptisch:
"Das ist immer noch zu weit weg."
Quelle:
Lausitzer Rundschau, 28.04.2007
Wünsdorf als Fernsehkulisse gefragt
Die Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf (Teltow-Fläming) wird in der Vorbereitung zum 50. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August zunehmend von Fernsehfilmteams entdeckt. Sie wollten an dem Ort drehen, wo sich 1961 und bis zum Abzug der Truppen das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland befand, berichtet die „Märkische Allgemeine“. So werde am Samstag ein Kamerateam des ZDF erwartet. Fernsehteams von „Pro Sieben“, Teams aus Kanada, den USA und Großbritannien hätten bereits vor Kurzem in Wünsdorf Aufnahmen für Dokumentarfilme gemacht.
Quelle: Lausitzer Rundschau, 29.04.2011
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